„Landschaftsräume oder auch Architekturen, die als Landschaften lesbar sind: In Daniel Jassers Malerei gehen gebaute Strukturen und topografische Areale ineinander über, sind Natur- und Kulturterrains verwoben und die Gegensätze zwischen geschlossenen und offenen Flächen aufgehoben. Die fragmentarischen Elemente, aus denen die Kippbilder des Künstlers bestehen, deuten an, ohne zu Ende zu erzählen. Die Landschaften zeigen sich ausschnitthaft, potenzielle Bauten als unfertig oder bereits verfallen, Konstruktionen sind zugleich Dekonstruktionen: Zerlegung als dialektisches gestalterisches Prinzip, das umkehrt aus dem Bruchstückhaften ein Ganzes schafft. Freskenartige Malweisen führen in die Vergangenheit, lassen zugleich an utopische Zukunftsvisionen denken, back to the future. Die Sehnsuchtsorte der Romantik schwingen darin ebenso mit wie die Bildstörungen unserer aktuellen Gegenwart. Irgendwo rührt sich immer der Mensch, auch wenn er vorübergehend abwesend ist, eine Präsenz, die spürbar, wenn auch nicht sichtbar ist. Kunsthistorische Anmutungen durchwirken die Szenerien. Es sind eher atmosphärische Schwingungen, die momenthaft zu erkennen sind und auf dem Malgrund eigene Wege gehen. Eine Stille liegt über dem Land, ein Schweigen umgibt die Gemäuer, die Bögen, die Wände, die sich sogleich wieder in Landschaft weiten. Der Blick geht durch Mauern, der Himmel spannt sich über einem Feld, das beides ist: Schauplatz und Bauplatz, Wand und Wiese, konturierte Form und endloser Raum.“

 

Belinda Grace Gardner, Juli 2017

 


„In seiner neueren Malerei führt Daniel Jasser landschaftlich-architektonische Kernmotive früherer Arbeiten stärker in die Abstraktion. In voraufgehenden Serien wie Vision, Observer oder Complementary Sight (alle 2016) ist der Bildraum anhand vage gehaltener Bauten und Naturelemente (Berge, Brücken, Häuser oder Wolken) entlang eines traditionellen Wahrnehmungshorizonts definiert – während die Malerei darin ihrerseits an der Auflösung eben jener Wahrnehmung arbeitet: In charakteristischer Farbigkeit von gleichtonigen, blass-lasurhaft aufgetragenen Siena- oder Blauschattierungen suggeriert sie imaginative Transparenz; eine Formalisierung ins Abstrakte, die betont atmosphärisch argumentiert.

Ambivalente Bildräume entwickelt Jasser in der Folge stärker objekthaft-raumbezogen. Bilder wie Topography I & II oder Topology I (alle 2017) sind mit Lehmputz und Wasserfarben auf Holz gearbeitet. Kompositorisch interagieren wenige, ineinandergreifende Flächen. Ihr intensiveres, vom Lehm milchig gewendetes Kolorit (Gelbgrün, Rotbraun, Blaugrün) geht stärkere Kontraste ein. Das verknappte Formvokabular stellt in pointierten Verkantungen vexierbildhafte Binnenperspektiven her – mal sieht man Flächengestaltung, dann öffnen sich plötzlich Tiefe und farbiger Raum.

Freskotechnik setzt Jasser auch direkt raumbezogen um: als Wandmalerei. Spolium (2017) ähnelt formal den Tafelbildern, die Komposition schafft durch Platzierung auf einer Eckwand aber neuen räumlichen Bezug. Monolithic Juncture (2017) geht weiter: Hier gibt es keine eigentliche Binnenkomposition, vielmehr schneidet Malerei sich ihre Formelemente direkt aus architektonischer Gegebenheit aus: Grünrottoniger, informell changierender Kalkputz steht als All over in den Flächen, erstreckt sich über Eckwand, Säule und Boden – und erschafft ein dichtes, plastisch-malerisches Raum-Ensemble.“

 

Jens Asthoff, Juni 2017